Winfried Kretschmann, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, hat gestern, am 26. Juni, die Badischen Stahlwerke in Kehl besucht. Im Gespräch mit der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Carolin Kramer, dem Mitgesellschafter Horst Weitzmann sowie den Geschäftsführern Florian Glück und Andreas Volkert informierte sich der Landeschef über die Herausforderungen von Deutschlands größtem Elektrostahlwerk auf dem Weg zu einer klimaneutralen Stahlproduktion.
Die Badischen Stahlwerke (BSW) in Kehl gelten als eines der effizientesten Elektrostahlwerke in Deutschland und Europa. Das Familienunternehmen mit rund 850 Mitarbeitern produziert Betonstahl für die Baubranche nicht aus Eisenerz und Koks, sondern schmilzt Stahlschrott in zwei Elektrolichtbogenöfen mithilfe von Strom zu neuem Stahl ein. Ein ressourcenschonender Kreislaufprozess, der sich unbegrenzt wiederholen lässt und rund 80 Prozent weniger CO2 pro Tonne Stahl verursacht als die klassische Hochofenoute. Damit leisten die BSW schon heute einen erheblichen Beitrag zur Reduktion fossiler Emissionen in der Stahlbranche und in der Industrie in Baden-Württemberg. Doch auf dem Weg zur vollständigen Klimaneutralität gibt es noch viele Herausforderungen zu bewältigen.
Kretschmann: Baden-Württemberg als Musterland für Grüne Technologien
Ministerpräsident Kretschmann betonte die Schlüsselrolle der Stahlbranche auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industrie – auch in Baden-Württemberg. „Es beeindruckt mich immer wieder, hinter die Werkskulissen unserer Unternehmen zu schauen. Die Stahlindustrie ist ein Grundpfeiler unserer Wertschöpfung – ohne sie wird die Transformation nicht gelingen. Darum brauchen wir Akteure wie die Badischen Stahlwerke, die schon heute zeigen, wie klimafreundliche Produktion jetzt und in Zukunft funktionieren kann. Wenn wir Baden-Württemberg zum Musterland für grüne Technologien machen wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen weiter so gestalten, dass Unternehmen wie die BSW ihre Innovationskraft entfalten können – im Einklang mit dem Klimaschutz und den Anforderungen eines internationalen Wettbewerbs.“
Transformation braucht faire und verlässliche Rahmenbedingungen
Aus Sicht der Badischen Stahlwerke sind die hohen Energiepreise ein entscheidender Hemmschuh für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. „Deutschland zählt in Europa zu den Ländern mit den höchsten Stromkosten – ein erheblicher Nachteil im internationalen Vergleich“, betont Florian Glück, Geschäftsführer der BSW. „Als energieintensiver Produktionsbetrieb benötigen wir dringend einen konkurrenzfähigen Industriestrompreis, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Pläne der Bundesregierung begrüßen wir – jetzt müssen sie jedoch sehr schnell umgesetzt werden, denn die Zeit läuft uns davon!“
Neben wettbewerbsfähigen Strompreisen braucht die Transformation aus Sicht der Badischen Stahlwerke vor allem eines: faire und verlässliche Rahmenbedingungen für alle Unternehmen in Deutschland und Europa. Genau daran mangelt es derzeit. Während die EU eine Klimaneutralität bis 2050 anstrebt, setzt der Bund das Jahr 2045 als Ziel, Baden-Württemberg sogar bereits 2040. „Die Klimaziele sind grundsätzlich richtig“, so Glück. „Doch sie müssen für alle gleich gelten. Unterschiedliche Regelungen in EU, Bund und Land führen dazu, dass Unternehmen je nach Standort unter verschiedenen Planungshorizonten agieren – mit unmittelbaren Folgen für ihre Wettbewerbsfähigkeit.“
Aufteilung Deutschlands in verschiedene Strompreiszonen ist kontraproduktiv
Mit Sorge betrachten die Badischen Stahlwerke zudem die Diskussion um eine mögliche Aufspaltung Deutschlands in verschiedene Strompreiszonen. Laut Experten dürfte dies dazu führen, dass der Strom in Regionen mit großem Stromangebot (zum Beispiel Windkraft im Norden) tendenziell günstiger wäre als in verbrauchsintensiven Gegenden mit wenig eigener Stromerzeugung (etwa im Süden). Derartige Pläne, die derzeit auf EU-Ebene geprüft werden, lehnt das Unternehmen deshalb ab. BSW-Geschäftsführer Andreas Volkert betont: „Eine Teilung Deutschlands in unterschiedliche Strompreiszonen würde zusätzliche Unsicherheiten in der Preisplanung und bei Investitionen für Industrie und Energiewirtschaft schaffen. Zudem hätten gerade energieintensive Unternehmen hier im Süden durch die höheren Strompreise einen deutlichen Wettbewerbsnachteil. Das ist kontraproduktiv und gefährdet langfristig auch Arbeitsplätze!“
Nachhaltige Transportwege: Der Rhein und Neckar müssen schiffbar bleiben
Auch die Logistik ist ein entscheidender Faktor für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Stahlproduktion. Rund 50 Prozent der Transporte der Badischen Stahlwerke erfolgen klimafreundlich per Binnenschiff. Doch zunehmende Niedrigwasserphasen infolge des Klimawandels setzen diese Transportwege immer häufiger unter Druck. Zudem fehlt es teils an geeigneter Infrastruktur. „Rhein und Neckar sind für uns logistische Lebensadern“, erklärt Volkert. „Damit wir zuverlässig liefern und produzieren können, brauchen wir planbare Transportmengen – auch bei niedrigen Pegelständen. Zudem sind viele Schleusen auf dem Neckar zu klein für moderne Binnenschiffe – das behindert einen effizienten und klimafreundlichen Transport erheblich.“ Daher fordern die Badischen Stahlwerke gezielte Investitionen in die Wasserstraßeninfrastruktur – etwa durch zusätzliche Baggerschiffe zur Räumung von angeschwemmtem Gestein nach Hochwasser und eine dauerhafte Vertiefung der Fahrrinne.